Beim Erntedankgottesdienst in der Kirche von St. Severi haben gute Gefühle am Sonntag Hochkonjunktur. "Wie groß ist die Dankbarkeit hier in Otterndorf, Neuenkirchen und Osterbruch darüber, dass diese wunderbare Pastorin Franziska May heute eingeführt wird?", ruft Superintendentin Kerstin Tiemann fröhlich ins Kirchengebäude hinein. "Aus meiner Sicht müssten die Otterndorfer ausflippen vor Freude." Im Laufe der Rede tun die versammelten Damen und Herren das auch - auf ihre Weise. Sie applaudieren herzlich, dass mit der 46-Jährigen nunmehr - neben Pastor Thorsten Niehus - eine Hirtin zusätzlich für sie da sein wird.
Trotz aller Freude gibt es auch nachdenkliche Worte
Superintendentin Tiemann lässt es - trotz aller Freude - nicht an nachdenklichen Worten fehlen. "Wie gut es uns doch geht", betont die leitende Kirchenfrau sowohl mit Blick auf die Ernte, also auch mit Blick auf die Pastorenversorgung. "Selbst in sogenannten schwierigen Zeiten hatten und haben wir stets genug." So habe es im Laufe des Jahres zeitweise ewig viel geregnet, aber man habe es hier nie mit diesen heftigen Überschwemmungen zu tun gehabt wie andernorts. "Ja, wir haben Keller ausgepumpt und sehr nasse Felder erlebt", erinnert Tiemann, aber man sei über die Runden gekommen. "Und ja, wir haben fast zwei Jahre lang die Pfarrstelle in Otterndorf ausgeschrieben, aber wir hatten doch trotzdem immer noch Ludwig Feltrup."
"Mangel schweißt zusammen, weil alle merken: Nur gemeinsam sind wir stark"
"Können wir noch wertschätzen, was wir haben oder bekommen?", fragt die Superintendentin anschließend. "Kirchenleitungen schauen kritisch auf Kirchengemeinden, die den Schmerz von Vakanzen nicht kennen." Denn Mangel öffne den Blick für Veränderung, für das Potenzial, das in Gemeinden selbst stecke. "Mangel schweißt zusammen, gerade auch große und kleine Gemeinden, weil alle merken: Nur gemeinsam sind wir stark." Die großen Kirchengemeinden seien nicht größer als die kleinen, wenn sie kein hauptamtliches Personal mehr hätten, formuliert Tiemann.
"Eine dynamische, kluge und erfahrene Frau"
Die Superintendentin hebt hervor, dass mit Franziska May "eine dynamische, kluge und erfahrene Frau im besten mittleren Erwachsenenalter kommt, die ganz viele Gaben mitbringt, dazu noch teamfähig ist, freundlich und kreativ".
Sie habe nicht schlecht gestaunt, als sie in den Lebenslauf von Franziska May geschaut habe: Die "Neue" habe nicht nicht nur evangelische Theologie studiert, sondern auch Kunstgeschichte und historische Musikwissenschaften. Darüberhinaus sei sie unter anderem sechs Jahre lang wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl von Professor Dr. Johann Anselm Steiger gewesen, "der für seine Kenntnisse in der Kirchen- und Dogmengeschichte bekannt ist". Doch die neue Pastorin sei praktisch und bodenständig, beruhigt Tiemann, sie habe ehrenamtlich im Verein für seelisch Behinderte mitgearbeitet, verschiedene Praktika in Diakonischen Werken absolviert, intensiv Kurse der Notfallseelsorge besucht und viele Erfahrungen in der Friedenskirchengemeinde in Elmshorn gesammelt sowie auf ihrer letzten Pfarrstelle in Meine und Gassel im Kirchenkreis Gifhorn.
Die "Neue" bringt viele Ideen und Impulse mit
Wenn sich die Gemeindeglieder mit Franziska May unterhalten würden - dazu war nach dem Einführungsgottesdienst Gelegenheit - dann würden sie alle merken, "wie viel Lust diese neue Pastorin auf Otterndorf, Neuenkirchen und Osterbruch hat und wie viele Ideen und Impulse sie mitbringt". Die Superintendentin wünscht der 46-Jährigen "ganz viel Freude am neuen Ort, wenige schwarze Schafe, viel Hirtenunterstützung und vor allen Dingen Gottes reichen Segen."
"Wem etwas Gutes zuteil wird, der bedankt sich"
Nach der offiziellen Einführung ins Amt predigt Franziska May von der Kanzel. Sie spricht unter anderem davon, dass eines der ersten und sicherlich wichtigsten Worte, die sie als Kind gelernt habe, das Wort "Danke" gewesen sei. Ob es nun eine Scheibe Bärchenmortadella gewesen sei, die sie in der Fleischerei um die Ecke erhalten oder ob sie etwas zum Geburtstag geschenkt bekommen habe - die Formel sei einfach: "Wem etwas Gutes zuteil wird, wer etwas geschenkt bekommt, der bedankt sich", sagt May. So sei es auch heute. "Wir sind hier, um dem ,Danke' zu sagen, der uns reichlich beschenkt hat: Gott, Schöpfer und Erhalter des Himmels und der Erden."
"Das einzig Wahre ist Dank, auch in unseren Zeiten"
Der Dank für die Ernte gelte zudem "immer auch den vielen, die für uns die Saat aus- und die Ernte wieder einbracht haben: den Frauen und Männern in der Landwirtschaft", sagt die Gemeindehirtin und verweist auf die Früchte des Feldes, mit denen die Otterndorfer Kirche in diesen herbstlichen Tagen üppig geschmückt ist. Das einzig Wahre sei Dank, auch in unseren Zeiten, spannt Franziska May danach einen Bogen hin zu aktuellen Entwicklungen. "Dass der Wohlstand in unserer sogenannten westlichen Welt nichts Selbstverständliches ist, wird uns angesichts des Klimawandels schmerzlich bewusst", sagt sie, "die Häufigkeit von Extremwetterereignissen nimmt zu und damit auch die Gefahr von Ernteverlusten bis hin zu Ernteausfällen." Der Kreislauf von Saat und Ernte, von Hunger und gesättigt Sein sei kein Automatismus, "sondern ein sensibler, lebendiger Prozess, dem es nicht egal ist, wie wir mit ihm umgehen".
"Wir machen Schulden auf dem Planeten Erde"
Und mit Blick auf den Erdüberlastungstag am 1. August - es ist der Tag, an dem rein rechnerisch die Ressourcen der Erde für dieses Jahr aufgebraucht sind - spricht die Pastorin von "Schulden, die wir auf dem Planeten Erde machen" - Schulden, die nachfolgende Generationen abbezahlen müssten. "Mit unserem Lebensstil tragen wir zur Zerstörung unserer Umwelt bei." Es sei wichtig, sich dies immer wieder bewusst zu machen. Denn alles, was Gott geschaffen habe, sei gut. Franziska May: "Es kann uns also nicht egal sein, was mit Gottes guter Schöpfung passiert." So verweise am Ende der Jahreskreislauf von Saat und Ernte stets auf uns selbst. "Unser ganzes Leben säen wir durch das, was wir tun und was wir lassen, was wir sagen und was wir verschweigen, wie wir auf andere zugehen oder auch nicht." May: "Ich säe durch das Wort und die Tat, wie ihr auch, wie wir alle als Christenmenschen. Das ist unser von Gott gegebener Auftrag als Arbeiter im Weinberg des Herrn."