Ein Mann steht kurz nach Weihnachten vor der Tür der Superintendentur in Otterndorf. Es ist kalt. Und sein Gesicht spricht Bände: bodenlose Verzweiflung. Wir gehen in mein Büro. Eine Tasse Kaffee zum Aufwärmen und ein Gespräch schließen sich an. Erst langsam taut mein Gegenüber auf. Und das liegt nicht an der winterlich nassen Kälte allein. Es ist Scham, die ihn so zögerlich macht.
Nach und nach wird jedoch deutlich, dass er und seine kleine Familie unverschuldet in höchste finanzielle Not geraten sind: In der Übergangszeit zum neuen Job bei uns in der Region ist ihm das Geld ausgegangen. Die Behörden spielten nicht mit, die Bank sperrte vorübergehend seine Konten. Und irgendwann war dann Ebbe in der Familienkasse. Nichts mehr zu essen.
Wie unglaublich es doch ist, dass ein Mensch mitten unter uns Not leiden muss, während wir Weihnachten feiern, einander beschenken und fröhlich sind. Besagter Mann hat sich nicht getraut, an den Feiertagen in die Kirche zu gehen, um einen Gottesdienst zu besuchen. Er wäre in Tränen ausgebrochen ob all der Ungewissheit, die derzeit sein Leben bestimmt, sagt er und senkt den Kopf.
Mit leeren Händen ist der Mann nicht zu seiner Familie zurückgekehrt an diesem trüben Vormittag.
Ich wünsche mir, dass wir einen Blick haben auf jene, die unter uns leben, still sind und sich kaum zeigen. Bei Matthäus in Kapitel 25, Vers 40, heißt es: "Wahrlich, ich sage euch: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan."